Das Stress-Prinzip

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Sobald wir unter Stress stehen, schaltet unser gesamtes Körpersystem in den Notfallmodus. Das hat sinnvolle, biologische Gründe. Alle Energie hat den rein instinkthaften Überlebensmechanismen zur Verfügung zu stehen. Während unsere Vorfahren vor Säbelzahntigern wegrannten, war keine Zeit zur Selbstreflexion vorhanden, die Verarbeitung des Erlebten fand später in der Sicherheit des Stammes am Lagerfeuer statt.

Dieses Prinzip machen sich Täterkreise zunutze. Sie sorgten für permanenten Stress, ohne eine sichere heimische Umgebung. So verbleibt ein Mensch im instinktiven Stressmodus, ist leicht lenk- und manipulierbar und nicht in der Lage, das Erlebte zu verarbeiten und in die eigene Kraft zurückzufinden. Der gestresste Mensch verbleibt im Überlebensmodus.

Als meine Erinnerungen 2017 hochkamen, reagierte ich mit Panik-Attacken und wendete mich an eine Hilfsorganisation für Missbrauchsopfer. Im Gespräch bekam ich nicht nur Tipps für den Umgang mit Angst (was half, Panickattacken hatte ich danach keine mehr), sondern ich konnte auch meine Gedanken mitteilen.

Ein für mich sehr verwirrender Punkt war, wie Erinnerungen so lange verborgen bleiben konnten. Wie war das möglich? Die Mitarbeiterin der Hilfsorganisation erzählte mir daraufhin, dass mein Fall keineswegs ungewöhnlich sei. Sie habe das schon sehr oft erlebt, dass Menschen nach Jahrzehnten mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert werden, die bis dahin keine Ahnung hatten, welche Last sie mit sich getragen hatten.

Sie sagte, dass ihrer Beobachtung nach die Erinnerungen oft dann auftraten, wenn man ein bisschen seinen Platz im Leben gefunden hat, nicht mehr mit dem Aufbau von Karriere, Partnerschaft oder Kindererziehung beschäftigt sei. Erst dann würden die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen, um das Erlebte verarbeiten zu können.

Diese Erklärung schien mir Sinn zu machen und sie traf für mich auf jeden Fall zu. Ich lebte damals an einem Ort, den ich sehr mochte und hatte viel Freiheit und Freizeit in meinem Leben. Und zurückblickend kann ich auch sagen, dass meine Programmierung mehr als 10 Jahre zuvor bereits angefangen hatte zusammenzubrechen. Mit Mitte 30 hatte es bereits diesen Wandel in meinem Leben gegeben, aber ich hatte so viel Destruktives und Verstörendes die nächsten Jahre erlebt, dass es kein Wunder war, dass es mehr als ein Jahrzehnt dauern würde, bis ich mich begann zu erinnern.

Die Seele braucht aber Ruhe, um zu verarbeiten. Ich bin der Meinung, dass dies den Tätern durchaus bewusst ist und dass sie deswegen immer wieder für Trigger und Stress sorgen. Es geht darum, die Opfer konstant unter Stress zu halten, sodass sie gar nicht zu sich selbst kommen können. Denn das zu sich selbst kommen bedeutet Bewusstwerdung und Heilung.

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